Die
digitale Uhr in der Reinhardtstraße ragt für einen flüchtigen
Blick in den Rahmen der S-Bahn Fenster und wird sichtbar. Sie läuft
schneller als mein Auge ihr folgen kann; man muss auf die
Hunderterstellen achten, um zu bemerken, dass sie seit einiger Zeit
rückwärts läuft. Damit hält sie das Versprechen wach, dass unsere
auf Akkumulation fußende Kultur eine Zukunft hat. Man kann es hier
ebenso emotionslos wie auf die zweite Kommastelle genau ablesen, es
ist eindeutig, denn Zahlen lügen nicht. Das ist das nächste
Versprechen. Diese Uhr bannt mich jedes Mal, vielleicht nicht aus dem
intendierten Grund: Ich finde sie einfach amüsant. Als nächstes
folgt ein kurzer Augenblick ins Innere der Kabine, welcher reichen
muss, denn allzu genaue Blicke sind hier nicht erwünscht. Welche
Welt sehen meine Augen?
Garderobe grau in grau in grau; bloß nicht auffallen, nur nicht anecken. Dieses Grau, das fast schon ein Blau ist, sehe ich. Es ist die Spannung zwischen zwei Widerständen im Inneren der Person, ein fast verdauter Klumpen der „Weltentzweiung“ oder eine Folge dieser Digestion. Man kann es auch einfacher die Faszination an der Verzweiflung nennen; die ist es mithin auch, die mich dabei von hinten packt, wenn ich das aus der Distanz betrachte. Kurz vor Berlin Hauptbahnhof kommt dann die Durchsage: „Nächste Station: Kölnische Heide.“ Niemanden außer mich wundert es, niemand hebt den Kopf.
Garderobe grau in grau in grau; bloß nicht auffallen, nur nicht anecken. Dieses Grau, das fast schon ein Blau ist, sehe ich. Es ist die Spannung zwischen zwei Widerständen im Inneren der Person, ein fast verdauter Klumpen der „Weltentzweiung“ oder eine Folge dieser Digestion. Man kann es auch einfacher die Faszination an der Verzweiflung nennen; die ist es mithin auch, die mich dabei von hinten packt, wenn ich das aus der Distanz betrachte. Kurz vor Berlin Hauptbahnhof kommt dann die Durchsage: „Nächste Station: Kölnische Heide.“ Niemanden außer mich wundert es, niemand hebt den Kopf.
Die Frau neben mir ist vertieft in eine Klatschzeitschrift: „Sonja Zietlows Abrechnung mit
den Dschungelstars.“ Es gibt andere, deren Garderobe mir gefällt,
doch je glatter ihre Schönheit, je überlegter, abgestimmter, das
Gesamtbild wirkt, desto misstrauischer sollte man werden. Will man
auf einen Diskurs einwirken, so Foucault von der Seite, wirkt auch
der Diskurs im gleichen Maße auf einen selbst ein. Besser wieder
nach draußen schauen und sich nichts anmerken lassen, die
Mehrdeutigkeit wieder aufrichten. Wir
spielen übrigens alle wieder das Statuenspiel, bei dem jeder reglos
verharrt, ob sitzend oder stehend (ist beides erlaubt), und vorgibt,
er hätte nennenswerte Gedankengänge; der Rest glotzt auf sein
Telefon. Das ist die zweite Disziplin desselben Spiels, wobei es
darauf ankommt, auch dabei interessant auszusehen. Eine Empfehlung
für Fortgeschrittene quasi. Ich als Anfänger versuch’s mit meiner
schlanken Fachliteratur. Und, siehe da, der gewünschte Effekt tritt
bald ein: Ich fühle mich wichtiger als der Rest.