Episoden aus dem Leben.

Monday, February 8, 2016

"Balzacsche Kamerafahrt"

Und dann sind die Türen wieder verschlossen. Alle nehmen nach und nach ihre Plätze ein und das Schauspiel beginnt mit neuen Akteuren einvernehmlich von vorne. Wildes durcheinandergequatsche der einen wird von starren, parallelen Blicken der anderen aufgewogen. Sie beobachten die Welt in ihren kleinen Geräten und müssen es auch, ist es ihnen doch nicht gestattet auch nur ein winziges Detail unbeachtet zu lassen. Die anderen erklären ihren Gegenübern jede noch so witzlose Kleinigkeit ihres Alltags, als persiflierten sie einen Balzac, während sie sich an ihren Kaffee im Pappbecher klammern. Gustaf sitzt am Rand der Sitzbankreihe, die Ohren nach innen und die Augen nach außen gewandt. Hier und da schnappt er etwas auf, zwingt sich nicht über die Natur der Menschen zu urteilen, deren Bewegungen ihm künstlich naiv, fast mechanisch choreografiert vorkommen. Oft schon musste er die Bahnfahrten damit verbringen sich seiner Verwunderung über die Sinneskälte dieser für ihn grauen Masse klarzuwerden. Heute sticht ihm die tiefstehende Herbstsonne in die Augen und auch die vorbeiziehenden Gebäude fallen ihm auf. Wie einsame Seelen hoffen sie, dass von der Reflexion ihrer arroganten Augen Notiz genommen wird, doch allerhöchstens wird der im Nachbargebäude sitzende Büroangestellte genervt die Jalousie abblenden, um in Ruhe gelassen zu werden.
Durch seine Fenster sieht Gustaf eine gedachte Welt und die Fensterscheibe der Bahn, die zwischen ihm und der Straße wie eine Folie schwebt, ist wie für gewöhnlich mit dem Dreck der Straße behaftet, der gerade an sonnigen Tagen unheimlich präsent zu sein scheint.

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